Zu den rund 23 Sammlungsgebieten der Neuen Sammlung – The Design Museum gehört auch Glas. Basierend auf der „modernen Vorbildersammlung“ des 1907 gegründeten Werkbundes und als Staatsmuseum seit 1925 etabliert, ist Die Neue Sammlung heute mit einem Bestand von ca. 100.000 Objekten eines der international führenden Museen für Design und angewandte Kunst der Moderne.
Die Glassammlung umfasst seriell gefertigtes Industrieglas, künstlerische Unikate sowie limitierte Auflagen – insgesamt über 5.000 Gläser. Unterstützt von Herstellern, Sammlern und Stiftungen erwirbt Die Neue Sammlung Objekte vom Beginn der Industrialisierung bis in die Gegenwart. Ein Teil davon ist in der ständigen Ausstellung zu sehen.
Anfänge moderner Glasgestaltung
Die Avantgarde, das Neue und Zukunftsweisende – wie der Name des Museums signalisiert – ist Programm des Hauses und spiegelt sich im Bestand zahlreicher Vorreiter der Moderne: Jugendstil-Reformer und Werkbund-Vordenker Richard Riemerschmid, Peter Behrens und Josef Hoffmann sind ebenso vertreten wie der führende Protagonist aus dem angelsächsischen Raum – Christopher Dresser.
Mit Wolfgang von Wersin, Direktor der Neuen Sammlung von 1929 bis 1934, leitete ein wichtiger Erneuerer der deutschen Glasgestaltung das Haus. Daher sind auch frühe Eingänge seiner Arbeiten verzeichnet, die neben den Glasobjekten von Else Wenz-Vietor für die Wiederbelebung heißer Veredelungstechniken in Deutschland stehen. Hans Theo Baumann, Aloys F. Gangkofner oder Erwin Eisch, die ab Anfang der 1950er Jahre mit farbigen Arbeiten am Ofen experimentierten, bilden die jüngeren Vertreter dieser Entwicklung.
Aus dem neuen, 1904 gegründeten Ausbildungszentrum im Bayerischen Wald, der Glasfachschule in Zwiesel, stammen zahlreiche geschliffene und gravierte Gläser der 1920er Jahre, die unter der Leitung von Bruno Mauder entstanden sind. Aus derselben Zeit finden sich Glasobjekte mit ebenso hohem handwerklichem Anspruch aus der Hand des reformorientierten Glasveredelers Wilhelm von Eiff – Professor an der Kunstgewerbeschule Stuttgart – und seinen Schülern.
Glasdesign in Deutschland
Als Designmuseum liegt das Hauptaugenmerk auf dem Industrial Design, der Fokus auf der seriellen Produktion von Gebrauchsglas. Die deutsche Serienproduktion hat daher besonderes Gewicht und dokumentiert die Hochzeit der Glashütten: Bayerischer Wald – Eisch, Gistl, von Poschinger, Theresienthal, Schott-Zwiesel, Spiegelau; Baden-Württemberg – Ludwig Breit Wiesenthalhütte, Josephinenhütte, Gral-Glashütte; Rheinland-Pfalz – Schott, Rastal, Sahm; Nordrhein-Westfalen – Peil und Putzler, Rheinische Glashütten, Vestische Glashütte; Hessen – Kristallglaswerk Hirschberg.
Ein umfangreiches Schenkungskonvolut der Firma Rosenthal aus Selb mit Entwürfen von Richard Latham, Samuel Herman, Zsofia Kanyak, Pavel Hlava, Michael Boehm oder Laura de Santillana zeigt die hochkarätige internationale Ausrichtung des Unternehmens, von seiner Leitung unter Philipp Rosenthal bis zur Gegenwart. Das breite Spektrum an Glasserien wird durch eine umfangreiche Sammlung an Modellen aus Gips und Kunststoff ergänzt, die über den firmeninternen Designprozess Auskunft geben.
Mit Wilhelm Wagenfelds und Heinrich Löffelhardts Arbeiten für die Vereinigten Lausitzer Glaswerke (VLG), Schott Jena/Mainz, WMF und die Vereinigten Farbenglaswerke Zwiesel befinden sich klassische Beispiele der Guten Form in der Neuen Sammlung – so auch ein Konvolut von Entwürfen Hans Theo Baumanns, Mitbegründer des Verbands Deutscher Industrie Designer (VDID 1959), das maßgeblich den Bestand der Nachkriegsmoderne erweitert. Baumanns Design prägt entscheidend die Produktion der Gral-Glashütte, des Tochterunternehmens Rheinkristall sowie der Immenhausener Glashütte Süssmuth.
Demgegenüber steht eine beachtliche und umfangreiche Glassammlung aus der DDR, die seit der Wende stark gewachsen ist. Ein wichtiger Grundstock bildet der Teilnachlass des Designers Horst Michel, der mit Entwürfen von Marlies Ameling, Friedrich Bundtzen, Margarete Jahny oder Hubert Petras ausgeweitet und mit Glasobjekten aus der Designsammlung von Claudia und Günter Höhne 2014 ergänzt werden konnte.
Internationale Ausrichtung
Die international führenden Glasländer des 20. und 21. Jahrhunderts – Frankreich, Schweden, Finnland, die Niederlande, Dänemark, Italien und die Tschechische Republik – bestimmen den Gegenpol zum deutschen Glasdesign. Trinkgläser, Schalen und Vasen von René Lalique und Maurice Marinot, Gunnel Nyman, Tapio Wirkkala, Kai Franck, Andries Dirk Copier und Per Lütken zeigen die vielfältigen Stilrichtungen im nordeuropäischen Raum. Aufwendigere, farbenprächtige Glasarbeiten von Paolo Venini, Carlo Scarpa, Archimede Seguso oder Flavio Poli zeugen von den lebendigen venezianischen Techniken, die farbenfrohen Glasobjekte eines Ettore Sottsass oder Lino Tagliapietra von dem Einfluss der italienische Postmoderne. Mit Jaroslavá Brychtová, Stanislav Libenský und František Vízner fehlen auch die großen tschechischen Meister nicht.
Design-Universalisten wie Werner Aisslinger, Alfredo Häberli oder Karim Rashid stehen für die unterschiedlichen Ansätze und Möglichkeiten im zeitgenössischen Gebrauchsglas: experimentierfreudig und vom Material des Glases fasziniert, rational am skandinavischen Funktionalismus orientiert oder Projektionsfläche für die eigene Designphilosophie.
Schnittstelle Kunst und Design
In den letzten Jahren richtet sich der Blick verstärkt auf das Thema Kunst und Design – auf den interdisziplinären Ansatz des Hauses: Ausgezeichnete Sammlungsobjekte des Tschechen René Roubíčeks, des US-Amerikaners Dale Chihuly, des Deutschen Klaus Moje oder des Japaners Kyohei Fujita bilden die Schnittstelle zwischen Kunst und Design.