Zinn im Floatglas
Kurzbeschreibung
Ziel dieses institutsübergreifenden Projekts war es, industrielle Floatgläser hinsichtlich ihrer Wechselwirkung mit dem Zinnbad der Floatkammer zu analysieren, um die Zinnanomalie zu deuten und Vorschläge zur Vermeidung des Bloom-Effektes zu machen. Dazu war es notwendig, tiefenaufgelöst den Oxidationszustand des Zinns und die Tiefenprofile der an den Transportprozessen beteiligten Elemente zu bestimmen. Für die Wertigkeitsanalysen wurde die Zinn-Mößbauerspektroskopie (CEMS) an schrittweise abgeätzten Proben eingesetzt. Die sich ergänzenden RBS-, SNMS- und ESMA-Untersuchungen Lieferten die Tiefenprofile der interessierenden Elemente. Der Einfluss der Zinndiffusion auf die Topographie der Gläser wurde mit der Rasterkraftmikroskopie (AFM) untersucht.
Der Zinnpeak tritt nur auf, wenn das Glas viel Fe3+ enthält. Der Bloom-Effekt lässt sich durch geringe Fe2+-Gehalte oder hohe Fe3+-Gehalte vermeiden. Die visuelle Beeinträchtigung einer Floatglasscheibe mit Bloom lässt sich durch eine nachträgliche Sol-Gel-Beschichtung weitestgehend kompensieren.
Es wurde erstmalig das vollständige Zinnprofil mit Nanometertiefenauflösung gemessen. Der Zinnpeak ist stark symmetrisch, er steigt in der Tiefe von einigen mm sehr stark an und fällt dann über einige mm ab. Die Zinnkonzentration ist in den ersten Nanometern ca. drei- bis viermal höher (ca. 1 At.-%, ca. 7 Ma.-% SnO2) als in mm-Tiefe (ca. 0.25 At.-%). Es wurden weiterhin erstmalig die Sn2+- und Sn4+-Tiefenprofile unabhängig voneinander gewonnen. Sn4+ tritt nur in mm-Tiefe auf. Das Sn2+-Profil zeigt sich als abfallende Funktion und die Summe aus beiden Profilen ergibt den typischen Verlauf mit der Zinnanomalie. Die Topographien von Feuerseite und Badseite der Floatgläser unterscheiden sich kaum voneinander, durch die Zinndiffusion entstehen keine Inhomogenitäten wie Entmischung, Kristallisation oder Blasen. Das Muster des Blooms ist von der Probengeometrie abhängig. Stärker rechteckige Proben weisen zwei verschiedene, senkrecht zueinander stehende Wellenmuster auf.
Die Massebilanz zeigt, dass die Abreicherung der beweglichen Kationen (Fe2+, Na+, Ca2+) nicht ausreicht, um die Zinn-Anreicherung zu kompensieren. Es tritt offensichtlich auch Diffusion von Zinn- und Sauerstoffionen in das Glas auf. Der effektive Interdiffusionskoeffizienten für Sn2+ liegt in der Größenordnung von 10-14 cm2/s für den nm-Bereich und 10-10 cm2/s für den mm-Bereich. Der um vier Größenordnung kleinere effektive Interdiffusionskoeffizient von Zinn im oberflächennahen Bereich (< 300 nm) deutet auf einen weiteren Transportmechanismus von Zinn hin. Denkbar ist in diesem Bereich die Diffusion von Na0 in das Glas.
Unter der Annahme, dass die Oberfläche der Glasschmelze in der Floatkammer stark reduziert wird und sich deshalb das Fe2+/Fe3+-Verhältnis stark zugunsten von Fe2+ verschiebt, lässt sich leicht erklären, dass in den ersten Mikrometern kein Sn4+ zu finden ist, weil der Oxidationspartner (Fe3+) fehlt. Erst wenn genügend Sn2+- und Fe3+-Ionen vorhanden sind, kann sich Sn4+ bilden. In größerer Tiefe ist dann kaum noch Sn2+ vorhanden und es entsteht der Sn4+-Peak, wie er auch mit CEMS gefunden wurde.
Die freundliche Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigung (AiF), Köln, (AiF-Nr. 11460 N) und der Hüttentechnischen Vereinigung der Deutschen Glasindustrie (HVG), Frankfurt/M., ermöglichte diese Arbeiten. Finanziert wurde das Projekt mit Mitteln des Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Berlin. Wir danken allen genannten Institutionen.
Laufzeit: 01.01.98 - 31.12.99
Forschungsstelle:
Inst. f. Nichtmetallische Werkst.
Professur für Glas, Clausthal
Inst. für Kernphysik der Johann
W. Goethe-Universität, Frankfurt
Inst. f. anorganische Chemie
und analytische Chemie
Joh.-Gutenberg-Universität,
Mainz