Das 1876 vor dem Hintergrund sächsischer Gewerbeförderung gegründete Königliche Kunstgewerbemuseum in Dresden wurde bis 1914 in Personalunion vom Direktor der Kunstgewerbeschule geleitet und war hinsichtlich seiner Aufgaben und Sammlungsschwerpunkte eng mit dieser Ausbildungsstätte verknüpft. Nach der institutionellen Trennung erfolgte die Entwicklung zu einem regulären Museum, die Sammlung wurde nach kunsthistorischen Gesichtspunkten weiter ausgebaut. 1947 erfolgte die Eingliederung in den Verbund der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), von 1951 bis 1991 unter dem Namen Museum für Kunsthandwerk. Obwohl das Museumsgebäude in der Güntzstraße den Krieg überdauert hatte, wurde das Museum 1963 in das Schloss Pillnitz am östlichen Stadtrand von Dresden verlegt, wo es sich bis heute befindet. Die nicht beheizbaren Ausstellungsräume im dortigen Wasser- und Bergpalais ermöglichen nur eingeschränkte Öffnungszeiten von Mai bis Oktober. Angelehnt und inspiriert vom Gründungsgedanken der Museen für angewandte Kunst / Kunstgewerbe sieht sich das Kunstgewerbemuseum Dresden als Plattform für Fragen von Gestaltung, sowohl der Vergangenheit wie Gegenwart und Zukunft und sucht in unterschiedlichen Projekten die Verknüpfung von historischem wie aktuellem Design und Kunstgewerbe.
Die Glassammlung
Die Sammlung des Kunstgewerbemuseums nahm 1873, drei Jahre vor der offiziellen Museumsgründung ihren Anfang mit dem Ankauf von 31 Hohlgläsern, vermutlich direkt auf der Wiener Weltausstellung. Typische Erwerbungen der frühen Jahre waren neben dem historischen Glas historistische Produkte der Firmen Lobmeyr (Wien), Salviati (Venedig) sowie der Rheinischen Glashütten AG (Köln-Ehrenfeld). Später kam auch zeitgenössisches Glas des Jugendstils und der Moderne in die Sammlung, mengenmäßig blieb der Glasbestand jedoch weit hinter anderen Sammlungsbereichen wie Keramik und vor allem Textil zurück. 1943 erfolgte die kriegsbedingte Auslagerung der Glassammlung zusammen mit Objekten aus anderen Materialgruppen. Nach derzeitigem Stand ist von ca. 400 Kriegsverlusten im Glasbestand (darunter knapp 80 Flachglas-Objekte) auszugehen.
Ab 1945 kam es im Bereich der Glassammlung zu einer massiven Verschiebung des Sammlungsschwerpunktes hin zum sächsisch-höfischen Barockglas (emailbemaltes und geschnittenes Glas). Vor allem durch die sogenannte Schlossbergung Moritzburg kam es zu einer ersten entscheidenden Erweiterung der Bestandsgruppe an sächsischem Glas, über 1100 Hohlgläser erhielt das Museum aus Schloss Moritzburg. Zwar wurden über 800 dieser Gläser 1999 an das Haus Wettin A. L. GbR restituiert, ein nicht unbedeutender Teil konnte jedoch erworben werden, darunter Spitzenstücke wie der emailbemalte Willkomm von Schloss Moritzburg von 1602 und der geschnittene Willkomm der Hofkellerei Dresden von 1716/17.
Zu zwei weiteren bedeutenden Erweiterungen der Glassammlung kam es im Zuge der innerhalb der SKD durchgeführten „Sammlungsbereinigungen“. Im Tausch gegen die eigenen Porzellane erhielt das Kunstgewerbemuseum 1962 ca. 110 in der Porzellansammlung befindliche Hohlgläser aus der ehemaligen Königlichen Porzellan- und Gefäße-Sammlung, deren Entstehung teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht und deren Herstellungsorte weniger stark auf Sachsen beschränkt sind. Dazu gehören so herausragende Stücke wie eine Gruppe von 16 smaragdgrünen Bleigläsern (Italien, um 1600), ein Pokal mit der frühesten Ansicht des Wasserpalais in Pillnitz von 1721/22 und der „Blaue Willkomm“. Ungefähr 90 Hohlgläser aus dem Historischen Museum (Rüstkammer) kamen 1959 zunächst als Dauerleihgabe ins Kunstgewerbemuseum und wurden 1983 übereignet, hierbei handelt es sich in der Hauptsache um sächsische barocke Emailgläser, ehemals aus der Hofkellerei Dresden.
Die von 1961 bis 2000 am Kunstgewerbemuseum tätige Wissenschaftlerin Gisela Haase (von 1991 bis 2000 als Direktorin des Museums) forschte, ausgehend von den eigenen Beständen verstärkt zum sächsischen Barockglas. Daneben trug sie maßgeblich zum Ausbau der Sammlung zeitgenössischen Glases (Glasdesign und Glaskunst) bei. Schwerpunkte waren hier z. B. tschechisches Glas und auf regionalerer Ebene das Lausitzer Glas, zu dem sie gleichfalls forschte und eng mit den Herstellungsbetrieben zusammenarbeitete. Zwei wichtige Ausstellungen in diesem Zusammenhang waren 1969 „Friedrich Bundtzen. 20 Jahre Glasgestaltung in der DDR“ unter Mitarbeit von Bundtzen selbst sowie 1987 „Lausitzer Glas. Geschichte und Gegenwart“ in Zusammenarbeit mit dem VEB Kombinat Lausitzer Glas Weißwasser. Als international geschätzte Glasspezialistin vertrat Gisela Haase das Museum auch durch ihre Leitungstätigkeit im Vorstand des ICOM-Glaskomitees von 1984 bis 1992 und daran anschließend als stellvertretende Vorsitzende im Fachausschuss V der DGG.
Seit 2014 leitet die Wiener Designexpertin Tulga Beyerle das Kunstgewerbemuseum. Mit dem Ziel das Kunstgewerbemuseum enger mit den Nachbarländern Tschechien und Polen zu verknüpfen, präsentiert das Museum regelmäßig zeitgenössische Designpositionen aus diesen Ländern. In diesem Sinne wurden Design Studios eingeladen Projekte am Museum zu realisieren. Im Bereich Glas wäre das Designstudio Dechem zu nennen im Rahmen der Sonderausstellung „Rochaden, Designer*innen treffen auf die Sammlung“ (2014), oder die Sonderausstellung „Manifesto“ (2015) mit aktuellen Arbeiten von Studierenden und Absolventen des von Rony Plesl geleiteten Glasateliers an der Akademie für Kunst, Architektur und Design (UMPRUM) in Prag.
Aktuell beläuft sich der Glasbestand auf ca. 3000 Objekte vorbehaltlich der noch laufenden Inventur. Im Rahmen des Datenbankprojektes „Daphne“ wird perspektivisch der gesamte Glasbestand über die Website und Online Collection der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.